Ausgabe für Streichquartett (2 Violinen, Viola, Violoncello).
»Auf Neuentdeckungen gibt es jeweils zwei mögliche Reaktionen,
entweder: ›Verständlich, dass das bisher nicht entdeckt worden ist,
hätte man auch nicht entdecken müssen‹, oder: ›Donnerwetter, dass man so
etwas noch entdecken kann!‹ Die sechs ›Golizyn-Quartette‹ von 1781, mit
denen der Herausgeber Klaus Harer und der Verlag Edition Gravis nach
den bereits vorliegenden ›Teplow-Quartetten‹ ihre Titz-Initiative
fortsetzen, gehören eindeutig zur zweiten Kategorie, und man kann nur
hoffen, dass von den vielen mutigen Musikern, die im 18./19. Jahrhundert
nach dem Osten emigriert sind, um Arbeit, Geld und Ruhm zu finden, noch
viele solcher Schätze zu heben sind!
Titz' Musik ist sehr gut und fantasievoll geschrieben und weit mehr als
nur Unterhaltung (dass die Qualität der Stücke nicht total
gleichbleibend ist, kommt auch bei den berühmteren unter Titz’ Kollegen
vor). Thematik, Modulationsgang, Gleichberechtigung der Instrumente,
Durchführungsteile sind ideenreich – Titz war Geiger und wusste, was
instrumental Effekt macht und im Ensemble gut klingt. Besonderheiten –
wie z. B. das Trio eines Menuetts von der 1. Violine allein spielen zu
lassen – findet man nicht einmal bei den großen Namen der damaligen
Quartett-Produktion. Die Stücke sind bereits mit dem
Hoffmeister-Quartett auf Instrumenten der Zeit in einer sehr
ansprechenden Interpretation eingespielt worden und auch an die Stätten
von Titz’ Wirken in Russland auf Tournee gegangen: Genau so vermittelt
man heute, auf den verschiedenen Ebenen, aber miteinander verbunden,
solche Projekte der breiteren Öffentlichkeit.
Auch die Edition lässt keine Wünsche offen. Der Notensatz ist
vorzüglich, das Vorwort sehr gut und höchst informativ, Quellenangabe,
Kritischer Bericht und Literaturhinweise ermöglichen weitere
Beschäftigung mit diesem sehr speziellen Violinisten und Komponisten,
der als Erster am russischen Hof Katharinas der Großen und Alexanders I.
die Quartette seiner Zeitgenossen (Haydn und andere) zur Aufführung
brachte und eigene Werke dieser Gattung herausbrachte. Die abgebildete
Seite aus dem originalen Stimmen-Druck von Artaria 1781 lässt den
Gedanken aufkommen, es sei bei dieser Druck-Qualität durchaus möglich,
aber noch schöner und anregender, vom Faksimile zu spielen. Aber
natürlich besteht ein hoher Mehrwert der modernen Ausgabe darin, dass
sie neben den Stimmen die Partitur einschließt.
Jedem Streichquartett, das offen ist für Neues, sei die Beschäftigung
mit diesen Werken anempfohlen, die eindrücklich beweisen, dass ein
inventiver Geist auch heute noch zu anregenden und horizonterweiternden
Trouvaillen führen kann – für die Ausführenden wie fürs Publikum.« – Peter Reidemeister, das Orchester 10/2011.
Komponist: Anton Ferdinand Titz.
Herausgeber: Klaus Harer.
Ausgabe: Partitur und Stimmen.
Edition Gravis EG1839-1.