Im Orchester spielte die Bratsche bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eine untergeordnete Rolle. In älteren Werken war die Orchesterstimme vergleichsweise einfach. Da der Umstieg von der Violine auf die Viola recht gut zu meistern ist, wurden häufig gerade schlechtere Geiger auf die Bratsche umbesetzt, was ihr den Ruf einbrachte, es bräuchte nicht viel Geschick, um sie zu spielen. Selbst als die Bratsche in romantischen Orchesterwerken an Bedeutung gewann, waren es hauptsächlich langsame, getragene Passagen, in denen sie wegen ihrer Klangfarbe brillierte. Zusätzlich gab es vor dem 20. Jahrhundert auch relativ wenig Sololiteratur. All dies führte zu einem Klischeebild des vermeintlich langsamen, schwerfälligen, unbegabten, übefaulen Bratschisten.
Die Tatsache, dass auch die Entdeckung der Soloqualitäten der Bratsche, das hohe Niveau der Ausbildung und die große Nachfrage nach Studienplätzen die Bratschenwitze nicht verstummen lassen, entlarvt dieselben als das, was sie sind: ein liebenswertes, aber völlig unberechtigtes, stereotypes Bild eines sehr besonderen Instruments.
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